Wer weiß, was ein Sousafon ist? Ich weiß es seit vergangener Woche, dank des international besetzten Tanz-Stücks SHELTER. Die brasilianisch-französische Koproduktion gastierte in deutscher Erstaufführung im Kleinen Haus des Theaters Freiburg.
Dort spielte das Blasinstrument, es gehört zur Tuba-Familie, eine zentrale Rolle. Nicht nur war es über weite Strecken ein visueller Anker des Stücks. Auch war es für dessen acht, laut Programmtext, „Öko-Queer-Figuren“ ein musikalischer Richtungsgeber. Zusammen mit eingespielten Samba-Rhythmen und einem Schuss Techno prägte das Sousafon den Tanz der Performer*innen.
Das knapp einstündige Stück des brasilianischen Choreografen Volmir Cordeiro zelebriert einen von den Krisen der Welt bedrohten Individualismus, der im Kollektiv Schutz findet. SHELTER lässt sich als Feier der Ermöglichung lesen, die das Kollektiv dem Individuum bietet, als getanztes „Bildet Banden!“, wie es etwa im queerfeministischen Diskurs heißt.
Wie formt das Kollektiv das Individuum?
Zugleich ist das Spiel auf der Bühne phasenweise auch so deutbar, dass es nach Problemen kollektiven Handelns fragt: Wie werden Entscheidungen getroffen und Konflikte ausgetragen? Wer hat das Sagen? Wie formt das Kollektiv das Individuum? Wird es verführt? Gerade hier trumpft das Sousafon auf, optisch wie akustisch — nicht ohne Grund kommt es vor allem in der Marschmusik zum Einsatz, wo es besonders darum geht, einen Kollektivkörper zu bilden.
SHELTER istein „Manifest aus Lachen, Freude und Schmerz“, schreibt das Theater Freiburg. Ich habe das Stück zudem als sehr ausdrucksstark, angenehm spektakulär und inspirierend empfunden. Es hallt lange nach und hat ein großes Publikum verdient. ◆
Aufgeführt wurde SHELTER im Theater Freiburg am 16. Mai 2024. Choreografie: Volmir Cordeiro; Performance: Marcela Santander Corvalan, Lucia Garcia Pulles, Martin Gil, Kiduck Kim, Cassandre Muñoz, Isabella Fernandes Santana, Washington Timbó.
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